- optische Geräte: Der Blick in den Kosmos
- optische Geräte: Der Blick in den Kosmos»Was weit entfernt ist, muss ganz nah erscheinen und umgekehrt. Denn es können durchsichtige Medien so für das Auge angeordnet werden, dass wir ein Ding in der Ferne sehen können. .., ja wir würden gleichsam Sonne und Mond vom Himmel herabziehen.« So hat als Erster der englische Philosoph und Theologe Roger Bacon, auf den übrigens auch der Begriff »Naturgesetz« zurückgeht, bei seinen um 1250 unternommenen optischen Studien das Prinzip des Fernrohrs als Wunschvorstellung beschrieben. In die Praxis konnte er seine Theorie jedoch noch nicht umsetzen. Der Arzt und Humanist Girolamo Fracastoro aus Verona schlug im Jahre 1538 zur Verbesserung der Sehleistung des menschlichen Auges ein komplexes Linsensystem vor. Dies blieb jedoch ebenso Theorie wie eine 1571 erschienene Abhandlung des englischen Mathematikers Leonard Digges, der im Experiment mit einer Linse und einem konkaven, also nach innen gewölbten Spiegel ein deutlich vergrößertes Abbild eines Objekts erzielt hatte.Von alledem wusste der Brillenmacher Jan Lippershey im holländischen Middelburg jedoch nichts, als er 1608 eher zufällig das erste dioptrische Fernrohr mit einer konvexen, also nach außen gewölbten Linse als Objektiv und einer konkaven als Okular konstruierte. Seine Kinder sollen in der Werkstatt mit Linsen gespielt haben. Sie hielten zwei davon hintereinander, blickten hindurch und sahen dabei zu ihrer Überraschung den weit entfernten Kirchturm ganz nah vor sich. Der Vater montierte die eigentlich als Brillengläser gedachten Linsen in einen schmalen geraden Zylinder. Das Fernrohr war geschaffen. Erfahrene Brillen- und Instrumentenmacher hatten keine Probleme mit dem Bau solcher »holländischen Fernrohre«, die daher schnelle Verbreitung in Europa fanden. Innerhalb weniger Jahre konnte man sie auf den Messen in Frankfurt und Paris, in Venedig, Padua und London kaufen.Das Instrument für die AstronomieGalileo Galilei, Mathematikprofessor, Physiker und Philosoph an der Universität von Padua, hielt sich 1609 in Venedig auf, hörte hier erstmals gerüchteweise von der neuartigen holländischen Erfindung und begriff trotz ungenauer Angaben sofort das Prinzip. Aus zwei Brillengläsern baute er ein eigenes Fernrohr mit dreifacher Vergrößerung und experimentierte weiter. Am 21. August des Jahres konnte er dem Dogen und den Senatoren der Republik am Lido ein Instrument mit neunfacher Vergrößerung vorführen und als Geschenk überreichen. In Venedig dachte man praktisch und rüstete damit zunächst den Wächter auf dem Kampanile am Markusplatz aus, der nun erheblich früher als zuvor feindliche Truppen entdecken konnte.Mit einem weiteren selbst gebauten Instrument beobachtete der Begründer der modernen Naturwissenschaft in Padua immer wieder den Nachthimmel und entdeckte dabei im Jahre 1610 die ersten vier Monde des Planeten Jupiter und die Ringe des Saturn, die Sonnenflecken und die Berge auf unserem Mond, woraufhin er die erste Mondkarte zeichnete. Vergrößerungswirkung und Lichtstärke des Fernrohrs waren sehr begrenzt, doch für Galilei reichte es, um neue Erkenntnisse über das Weltall und unser Sonnensystem zu gewinnen. Seine Beobachtungen bestätigten die Richtigkeit des schon 1542 von dem Mediziner, Juristen und Astronomen Nikolaus Kopernikus entwickelten heliozentrischen Systems mit der Sonne im Mittelpunkt, um die sich die Planeten drehen. In einem Briefwechsel tauschten Galilei und der damals in Prag tätige protestantische Theologe, Mathematiker und Astronom Johannes Kepler ihre Forschungsergebnisse aus. Auf der Basis der von Kepler daraufhin 1611 veröffentlichten optischen Theorie der Linsen und des astronomischen Fernrohrs konstruierte Christoph Scheiner, Jesuitenpater, Physiker, Astronom und Mathematikprofessor in Ingolstadt und Freiburg, im gleichen Jahr ein Fernrohr, das für astronomische Beobachtungen besonders gut geeignet war.Im Unterschied zum Modell Galileis wies dieses Teleskop zwei konvexe Linsen auf, die eine scharfe und kaum verzerrte, dafür aber seitenverkehrte und auf dem Kopf stehende Abbildung des anvisierten Objekts lieferten. Für astronomische Beobachtungen spielte dies allerdings keine Rolle, da oben und unten sowie rechts und links bei weit entfernten Sternen wie den Planeten unseres Sonnensystems bedeutungslos sind. Für alle anderen Zwecke ließ sich der Effekt über eine weitere Konkavlinse ausgleichen. Ergebnis war das »terrestrische Fernrohr«, das in den folgenden drei Jahrhunderten vorzugsweise beim Militär und in der Seefahrt eingesetzt wurde. Einen weiteren optischen Innovationsschritt stellten die 1661 vom schottischen Mathematiker und Astronomen James Gregory und 1671 vom berühmten englischen Universalgelehrten Sir Isaac Newton gebauten Spiegelteleskope dar. Gregory erzielte mit einem Hohlspiegel in der Okularebene lichtstärkere und schärfere Abbildungen, und Newton lenkte die durch das Objektiv einfallenden Lichtstrahlen mit einem Planspiegel im rechten Winkel zum Okular um. Damit befand er sich seitlich außerhalb des Strahlengangs und gewann mehr Bewegungsfreiheit für die oft langen und anstrengenden Beobachtungen.Einblick in die verborgene WeltVergrößerungseffekte auf sehr kurze Distanz erlaubt die Lupe. Das bislang älteste Exemplar ist aus Bergkristall geschliffen, wurde in Ninive am Tigris ausgegraben und lässt sich ins 7. Jahrhundert v. Chr. datieren. Im antiken Rom stellte man plankonvex geschliffene Linsen unter anderem aus Glasfluss her, und seit dem 13. Jahrhundert waren die europäischen Brillenmacher in der Lage, ihre Produkte so zu schleifen, dass sie die individuelle Sehschwäche des Kunden in etwa ausgleichen konnten. Wie beim Fernrohr waren es Brillenmacher in Middelburg, die ein erstes Mikroskop bauten. Hans und Zacharias Janssen konstruierten schon 1590 ein Exemplar mit einer Sammellinse als Objektiv und einer Zerstreuungslinse als Okular, das jedoch noch stark verzerrte Abbildungen lieferte. Bessere Ergebnisse garantierte das vom englischen Physiker Robert Hooke 1665 gefertigte Instrument, das schon die bis heute übliche Form, allerdings noch ohne den Beleuchtungsspiegel, aufwies. Dieser gilt als Erfindung von Christian Gottlieb Hertel aus Halle und erlaubte seit 1716 bei einer für die genaue Beobachtung wichtigen senkrechten Aufstellung des Instruments die Reflektierung von Tages- oder Kerzenlicht auf den winzigen Gegenstand vor dem Objektiv.Mit einem wesentlich einfacheren Mikroskop hatte Antony van Leeuwenhoek schon Jahrzehnte zuvor epochale Entdeckungen gemacht. Der wohlhabende holländische Tuchhändler betrieb das Linsenschleifen als Hobby, brachte es darin zu großer Meisterschaft und begeisterte sich als Amateurforscher für den Mikrokosmos. Er baute sich Instrumente, bei denen eine extrem fein geschliffene kleine Linse zwischen zwei ebenso kleine Löcher in zwei Metallplatten geklemmt war. Sein Beobachtungsobjekt konnte er über einen Schraubenmechanismus exakt in den Brennpunkt dieser feinen Lupen rücken, die bei durchfallendem Licht eine fehlerfreie, mehr als 300fache Vergrößerung erlaubten. Damit entdeckte er als Erster 1674 die Welt der einzelligen Lebewesen und Bakterien, beschrieb 1677 tierische und menschliche Keimzellen, 1680 die Kugelstruktur der Hefe und erkannte 1682 die roten Blutkörperchen wie die quer gestreiften Muskelfasern.Dank der von ihnen entwickelten Instrumente gelangten Galilei wie van Leeuwenhoek bei der Beobachtung von Makro- wie Mikrokosmos zu Erkenntnissen, die für die meisten ihrer Zeitgenossen eine Zumutung darstellten. Die Wirklichkeit war anders, als man sie mit den eigenen Sinnen erfahren konnte, aber deshalb nicht weniger real. Fernrohr und Mikroskop eröffneten den Weg in Welten, deren Erschließung wichtige Bausteine für unsere Zivilisation lieferte.Prof. Dr. Volker Schmidtchen
Universal-Lexikon. 2012.